Nun mal langsam!

Der Sommer war sehr groß. Zweifellos. Umso kälter und windiger fühlt sich der Winter an. Aber das ist kein Grund zum Traurigsein. Ganz im Gegenteil – Liebhaber der dunkleren Jahreszeit genießen den Rückzug in die Gemütlichkeit.

Denken wir doch mal nach, auf dem Sofa unter der karierten Kuscheldecke: Der ach so beliebte Sommer kann verdammt anstrengend sein. Man schwitzt in der Straßenbahn und ist nie richtig angezogen. Man muss Rasen mähen, verklebte Grillroste putzen und auf harten Bierbänken hocken. Man muss am Rhein joggen, in überfüllten Freibädern schwimmen und den Obstkuchen draußen essen, obwohl gleich die Wespen kommen. Ein schöner Sommer verlangt, dass der Mensch ihn dankbar ausnutzt. Auch soll man immer gut gelaunt sein und „Na, ist das nicht ein herrlicher Tag?“ rufen. Eine melancholische Grundhaltung gilt als ähnlich unangemessen wie die Stubenhockerei.

Aber das ist jetzt vorbei. Die dunkel-kühlen Wochen erlauben uns endlich ein wenig behagliche Wehmut. Ach, seufzen wir erleichtert und dürfen wieder Rilke zitieren, mit einer Träne im Augenwinkel: „Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr ...“

Zum Glück haben wir ein Zuhause. Vielleicht sogar einen Kamin, dessen Feuerchen zur Jahreszeit passt. Dann zünden wir die Kerzen an, legen eine 1969er-Platte von Leonard Cohen auf („Songs from a Room“ natürlich, nur für dämmrige Innenräume geeignet) und üben das Nichtstun. Gar nicht so einfach. Unsere Spaß- und Leistungsgesellschaft ist ganz auf Aktivität eingestellt. In den Büros wird immerzu die Effizienz gesteigert, auch in der Freizeit wollen wir keine Zeit verplempern. Sport, Spaß, Familienleben – alles durchgeplant. Das Smartphone zählt unsere Schritte. Selbstoptimierung heißt das Stichwort. Leider nicht optimal. In seinem Buch „Die erschöpfte Gesellschaft“ konstatiert der Kölner Psychologe Stephan Grünwald einen Zustand „besinnungsloser Betriebsamkeit". Irgendwas ist da falsch gelaufen. Menschen, die sich ständig verausgaben, verlieren nicht nur den Spaß am Leben, sondern auch die Fantasie, die Kreativität. Wir müssen wieder lernen, faul zu sein. Denn, so Grünewald: „Phasen der Langeweile oder die nicht ritualisierten Zeiten des Faulenzens, Wartens oder Umherstreifens sind schöpferische Zustände.“ Im Müßiggang entkoppele sich die Seele von den „gerichteten Handlungsvollzügen und festgelegten Zweckbestimmungen“. Dadurch er-öffnen sich, verspricht der Experte, „Freiheitsgrade und Spielräume“.

Bevor die industrielle Revolution das Leistungsprinzip einführte, in den romantischen Tagen des 19. Jahrhunderts, war das tatenlose Träumen noch keine Sünde. „Nur die Ruhe in uns selbst lässt uns sorglos zu neuen Ufern treiben“, bemerkte der österreichische Schriftsteller und Naturfreund Adalbert Stifter (1805-1868). Die Realität vergessen und sich etwas vorstellen – das kennen wir alle aus der Kindheit. In der Vorstellung waren wir Prinzessinnen und Indianerhäuptlinge, die Stärksten und Schönsten. Und wir brauchten dazu keinen Avatar im Videospiel.

Stephan Grünewald empfiehlt den altmodischen Tagtraum auch Erwachsenen als „Meuterei ge-gen die Zwänge des Alltags“. Der Tagtraum gehöre „zu den großen und unterschätzten Tröstungen, die uns das Leben bereitstellt“, glaubt er. Voraussetzung für das Gedankenspiel ist allerdings – Müßiggang. Nicht gemeint sind die Ablenkungsmanöver, mit denen wir heutzutage nach Ausgleich suchen: endloses Social-Media-Getratsche und/oder exzessives Streamen von Actionserien. Gemeint ist ein Zustand der inneren Achtsamkeit – beim Flanieren oder auch im Lieblingssessel. Die wahre Entspannung braucht kein Programm.

Birgit Kölgen
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